Das LEF von außen bei Sonnenschein, vor der Restaurant der große terrassenbereich zum Essen Das LEF von außen bei Sonnenschein, vor der Restaurant der große terrassenbereich zum Essen
Foto: LEF
01.02.2024
Gastro

LEF in Reuver

Geschmacksfeuerwerk mit Leidenschaft

Redaktion: Christian Hornung

Die Schreibweise ist nicht ganz die gleiche, es fehlt ein „E“ in der Mitte. Aber die Aussprache ist identisch, vielleicht deshalb haben wir ständig diesen holländischen Klassiker im Ohr, als wir uns auf den Weg ins beschauliche Reuver zwischen Roermond und Venlo machen: „Leef, alsof het je laatste dag is“, singt André Hazes junior, und wer wie wir Gladbacher grenznah wohnt und ab und zu mal den niederländischen Radiosender „100 Prozent NL“ hört, der kommt an diesem Song nicht vorbei. „Leef, alsof de morgen niet bestaat“, geht das Lied weiter, und: „pak alles wat je kan.“ Der Song gibt eine sehr schöne Lebensphilosophie wieder. Man soll einfach leben, als ob es der letzte Tag sei, als ob es kein Morgen gäbe und man soll nochmal alles reinpacken, was möglich ist. Ein wunderbares Abendessen im „LEF“ passt zu diesem Motto perfekt.

Reuver? Zugegeben, obwohl wir sehr oft zu unseren Nachbarn über die Grenze fahren, in die großen Gartenmärkte, zum Spazieren im Nationalpark Meinweg und natürlich auch immer wieder zum Leckeressen: Reuver haben wir noch nie gehört. Dabei ist es von Mönchengladbach aus nur eine halbe Stunde – und diese Entfernung soll so ungefähr die Größenordnung für die neue Serie im Hindenburger sein, in der wir den Gladbacher Gourmets Tipps geben möchten, wohin sich ein Gastro-Trip auch außerhalb unserer Stadtgrenzen lohnt. Kleiner Spoiler: Das LEF lohnt sich total.

Reuver an der Maas also hat gerade mal 6.150 Einwohner, wenn man den Ortsteil Offenbeek dazu zählt, knackt das beschauliche Dorf die 10.000er-Grenze. Die Haupt-Sehenswürdigkeit ist die Sint Lambertuskerk aus dem Jahr 1880, laut Wikipedia ein „bedeutender neogotischer Bau des Architekten Johannes Kayser“. Genau an dieser Kirche finden wir auch einen (Gratis-)Parkplatz, als wir an einem Donnerstagabend das LEF besuchen.

Erster Eindruck: Oh, echt unterirdisch Aber nur im wirklich wörtlichen Sinne: Es geht hinab in den weiß getünchten Gewölbekeller des ehemaligen Rathauses, aber noch bevor man die Treppen besteigt, begrüßt uns ein Gault-Millau-Schild mit 13 von 20 möglichen Punkten – Kompliment! Eine absolute Ehre, dass die Tester des neben dem Guide Michelin weltweit bedeutendsten Restaurantbewerters den Weg ins kleine Reuver gesucht und gefunden haben, findet Küchenchef Jop Janssen. Wir sind im Winter hier, im Sommer servieren Janssen und seine Crew aber auch ebenerdig, draußen auf der Terrasse mit Blick auf die Kirche.

Janssen ist ein Jungspund von gerade mal 32 Jahren, sein ganzes Team in der Küche und im Service ist extrem jung, was im Umgang mit den Gästen irgendwie Frische, Fröhlichkeit und Entspanntheit ausstrahlt: Es geht locker-leicht zu, und trotzdem nicht distanzlos, sondern mit sehr guten Manieren. Das Outfit unserer ersten Servicekraft, die uns nach Aperitifs fragt, spiegelt die Richtung hier schon perfekt wider: chices schwarzes Kleid – und weiße Turnschuhe. Jop Janssen hat trotz seines jungen Alters schon eine erstaunliche Vita: Er war zuletzt Chef des Harbour Club in Maastricht, davor Sous Chef im Ursulinenkonvent, er war schon im belgischen La Butte aux Boix und hat seine Grundausbildung im Hotel Castell d*Emporda an der spanischen Costa Brava genossen.

Die vielen Erfahrungen kombiniert er jetzt im LEF, das er 2021 eröffnet hat: Hier gibt es Hummer-Abende (der ganze Hummer mit Pasta für 39,50 Euro, also völlig okay), aber auch immer wieder wechselnde Menüs. Wir nehmen das Überraschungs-Menü mit fünf Gängen, weil wir einfach wissen möchten, was der Koch am besten kann. Die Bedienung fragt uns hochprofessionell, ob wir alles vertragen und alles mögen, im Falle meiner Lebensgefährtin schließen wir in ihrem Menü Gänseleber, Lamm und Ziegenkäse aus – aber ansonsten freuen wir uns einfach auf das, was kommt.

Und es kommt eine Menge. Begrüßt werden wir aus der Küche mit einem schaumig-leichten Sellerie-Türmchen auf einem Mürbeteigplätzchen, es folgt frisches selbstgebackenes und noch warmes Brot mit einer sehr aromatischen, leicht sahnigen Butter.

Der erste Gang ist ein brillant frisches und dunkelrotes Tunfisch-Sashimi mit Tomate und Apfel in verschiedenen Texturen, als Gel, Schaum oder „in echt“. Auf meinem Teller ist die Gänsestopfleber auf dem Tunfisch in zwei ordentlich großen Tupfern zum Glück erhalten geblieben, meine Partnerin hat dafür ein Tunfisch-Filet mehr bekommen – elegant gelöst.

Es folgt der nächste Traum aus dem Meer: Skrei, also Winter-Kabeljau, außen mit ganz feinen Grillaromen, innen perfekt glasig, aber nicht zu roh – und das Ganze schwimmt auf einer Langustinencremesuppe mit flambiertem Orangenfilet und einigen crunchigen Elementen, wunderbar! Zugegeben, von der Languste hätten wir uns auch noch ein paar Nuancen in nicht pürierter Form gewünscht, aber okay, auch dieses Süppchen hat den ganzen Wohlgeschmack verinnerlicht.

Anschließend wird es etwas deftiger, aber es bleibt dennoch elegant: Rebhuhn-Filet mit Livar-Schweinebauch kombiniert, das Ganze auf einem Pastinakenpürée, das im Gegensatz zu unseren bitteren Erinnerungen aus der Kindheit (oder an diese Pastinakenbrei-Hipp-Gläschen, die meine Tochter einfach wieder ausgespuckt hat...) richtig mild-würzig mundet. Abgerundet wird dieses Gericht von einer gehaltvollen und nicht pürierten Sauce, man kann sie fast schon Beilage nennen, mit kleinen Tranchen des Schweinebauchs sowie karamellisierten Zwiebeln und Datteln.

Als wir anschließend überlegen, ob jetzt schon der Nachtisch/die Käseauswahl folgen, weil wir schon so lange, so liebevoll und so schön bekocht wurden, kommt (zum Glück) noch ein Hauptgang: jeweils zwei Hirschfilets. Auch die sind wieder auf den Punkt gegart, mit einer sehr feinen Kruste, innen perfekt rosa-rot, dazu eine leichte Wildjus und Kunstwerke aus Karotte, Kartoffel und Orange. Kleiner Kritikpunkt allerdings: Der Hirsch und die Sauce schmecken fast ein bisschen zu neutral, zu wenig aromatisch, kaum oder sogar gar nicht gewürzt. Aber wie lautet das Motto von Chefkoch Janssen auf seiner Homepage: „Reine Produkte, enorme Leidenschaft und Sorgfalt“ - und das reine Produkt hat er hier wirklich allein im Vordergrund gelassen.

Zwischenfazit:

Hartelijk bedankt kann man an dieser Stelle schon mal sagen, aber das Finale folgt ja noch. Meine Lebensgefährtin freut sich über ein Ensemble aus weißer und vergoldeter Schokolade, garniert mit kandierten Kirschen und allerlei Cremes und Gel-Tupfern - auch die gehobene Patisserie hat also in diesem Gewölbekeller ein Zuhause. Das Schöne: Vieles sieht ein bisschen nach „Chichi“ aus, aber selbst in den kleinsten Saucenspritzern stecken noch krasse Geschmacksfeuerwerke. Dass die Käseauswahl in unserem Nachbarland viel verspricht und alles hält, muss man wohl am wenigsten betonen, der Rahmen mit natürlich selbst gebackenem Bananen-Nuss-Brot, Trauben und karamellisierten Walnüssen veredelt auch diesen Teller noch einmal. Dafür bekommen wir aber auch 6 Euro Aufpreis auf das Menü berechnet, das mit je 60 Euro gemessen an vergleichbaren Restaurants ein echtes Schnäppchen ist.

Da auch der weiße trockene Hauswein für 24 Euro pro Flasche ein exzellentes Preis-Leistungsverhältnis hat und auch die beiden Haus-Aperitifs (Mandarine, Prosecco und Vanille für meine Freundin – es war tatsächlich auch nicht so süß, wie es sich anhört) und für mich der Cocktail aus Campari, Gin und Fever Tree Tonic für je 8,50 Euro, was vollkommen im Rahmen liegt, können wir am Ende eines brillanten Abends nur bilanzieren:

Wenn es wirklich unser letzter Tag wäre – das LEF in Reuver wäre ein angemessener Abschluss.


LEF food & drinks
Rijksweg 41
5953 AA Reuver
Niederlande
Tel.: 0 031-77 - 474 8881
E-Mail: info@lef-reuver.nl
www.lef-reuver.nl
Instagram: restaurant.lef

Geöffnet:
Di. - Sa., 12 -14 Uhr und 18 - 21 Uhr
Mo. + So. auf Anfrage