Fünf verschiedene Flaschen von alkoholfreien Spirituosen Fünf verschiedene Flaschen von alkoholfreien Spirituosen
Fotos: © Hersteller
01.08.2022
Spirituosen

Alkoholfreie „Spirituosen“

Da geht Noch was

Redaktion: Marc Thiele

Alkohol ist so eine Sache. Er polarisiert, er bereitet Probleme, wenn man versucht, selbige darin zu ertränken, eigentlich ist er eine Droge und überkonsumiert ist er eine Gesundheitsgefahr, aber wenn er gut ist, schmeckt er auch verdammt gut und macht Spaß.

Ich kenne alle Aspekte von Alkohol, seine Herstellung, seine Verwendung, seine Möglichkeiten, aus dem Bekanntenkreis die dunklen Seiten und aus meiner redaktionellen Arbeit auch Menschen, die mit dieser Finsternis zu kämpfen haben. Mir ist also sehr bewusst, über was ich hier jeden Monat voller Begeisterung schreibe.

Bei Bier bin ich längst auf alkoholfreie Varianten umgestiegen. Nicht immer, aber meistens, denn Bier ist nicht wirklich mein Ding. Bei Spirituosen ist das aber eine ganz andere Sache.

Aus gesundheitlichen Gründen musste ich 2021 meinen Alkoholkonsum drastisch reduzieren. In der Woche trinke ich so gut wie nie Alkohol und an den Wochenenden meistens nur Wein und tatsächlich sehr selten Hochprozentiges, aber ich vermisse manchmal den Geschmack eines guten Drinks, vor allem in Gesellschaft, wenn ich der Fahrer bin. Es wurde also Zeit, sich mit den Alternativen zu beschäftigen. Nicht Wasser, Limonaden oder Säfte, sondern mit dem Markt der alkoholfreien „Spirituosen“.

Alleine schon der Begriff „alkoholfreie Spirituosen“ ist ein Widerspruch an sich, so wie veganes Fleisch, aber an so was gewöhnt man sich ja heute sprachlich. Was jedoch wichtig zu wissen ist: alkoholfreie Spirituosen können bis zu 0,5% Alkohol enthalten.

Der Markt ist groß und er wächst und wächst immer weiter. Bier, Wein und Sekt kennen wir bereits lange auch als alkoholfreie Alternativen, mittlerweile gibt es aber auch bei nahezu jeder Spirituosenart alkoholfreie Pendants.

Alleine der Onlineshop www.alkoholfreishop.de listet unter Spirituosen mehr als 100 Produkte aus allen Kategorien – Gin, Rum, Wodka und sogar Whisky sind vertreten – und das sind bei weitem nicht alle. Heute haben z.B. viele Ginmarken bereits eine alkoholfreie Variante gelauncht und wöchentlich kommen neue Produkte auf den Markt. So gibt es mittlerweile bereits überproportional mehr alkoholfreie Gins als z.B. Whiskys, Wodka oder Rum, was wahrscheinlich auch daran liegen dürfte, dass Gin immer noch ein Trendgetränk ist, das eigentlich jeder herstellen kann, Whisky und Rum aber traditionelle Spirituosen mit einer weniger experimentierfreudigen Klientel sind. Die Gefahr bei einer Verkostung von klassischen schottischen Singlemalt-Whiskys nicht mehr lebend rauszukommen, wenn man eine alkoholfreie Variante serviert, ist durchaus gegeben.

Egal welche Spirituose alkoholfrei werden soll, allen Produkten ist der Wunsch gemein, so nahe wie möglich an das alkoholhaltige Original heran zu kommen.

Zur Herstellung alkoholfreier Produkte stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

Die meistverwendete Methode ist die Destillation oder Mazeration von Wasser mit Botanicals wie Kräutern und Früchten oder konzentrierten Essenzen, die wiederum selber durch komplexe Produktionsverfahren wie Perkloration oder Kaltpressung gewonnen werden. Das Ergebnis sind sogenannte Hydrolate, oder auch NADS (Non Alcoholic Distilled Spirit) genannt. Diese Methode wird hauptsächlich bei der Herstellung von alkoholfreien Pendants von Gin, Whisky, Rum etc. eingesezt.

Damit hat man erst einmal eine Basis, die aber noch recht weit vom gewünschten Endprodukt entfernt ist, vor allem hinsichtlich der Textur. Also müssen noch weitere Schritte folgen, um ans Ziel zu kommen, und hier kommen u.a. Verdickungsmittel und Stabilisatoren zum Einsatz.

Die alkoholfreien Endprodukte sind also im Grunde nichts mehr als aromatisiertes Wasser und außerdem meistens nicht zum puren Genuss gedacht, sondern werden mit Fillern oder Mixern wie Tonic Water, Cola oder Säften gemischt. Ein Whisky Sour ist somit theoretisch möglich, ein Whisky on the Rocks aber nicht wirklich zu empfehlen.

Weitere, technisch aber sehr aufwendige Methoden sind die Vakuumrektifikation, die Umkehrosmose sowie die Spinning Cone Column. Diese kommen jedoch meistens bei Weinen, Schaumweinen und Bieren zum Einsatz.

Soweit die technischen Fakten, kommen wir nun zur subjektiven Meinung.

Mittlerweile habe ich an die 30 alkoholfreie Spirituosen getestet, meistens natürlich Gins, aber auch einige Vermuts und den ein oder anderen Rum. Das volle, echte Geschmackserlebnis, so wie es alkoholhaltige Spirituosen nun einmal bieten, hat für mich keine der alkoholfreien Alternativen erreicht, aber Vermut und Rum sind sehr nahe dran, teilweise sogar pur. Beim Gin hingegen konnte mir bisher keines der alkoholfreien Produkte auch nur ein leichtes Lächeln entlocken. Im Gegenteil, die Mundwinkel gingen immer nach unten. Wenn ich einen alkoholfreien Gin gefunden habe, der meinen Kriterien entspricht, werde ich ihn hier im Genussshopping vorstellen. Bis dahin teste ich weiter und widme die nächsten Artikel dieser ab jetzt in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Serie über alkoholfreie Spirituosen dem wachsenden Markt, seinen Marken und den Produkten, die eine wirkliche Alternative zu ihren alkoholhaltigen Geschwistern sind.

Vielleicht haben Sie ja auch schon Erfahrungen gemacht, Produkte verkostet, gute Alternativen entdeckt? Dann lassen Sie uns doch in den Austausch gehen und schicken Sie mir eine Mail mit Ihren Erfahrungen, Produktempfehlungen und Ihrer Meinung an redaktion@hindenburger.de.